Rückblick Pegelstand-Elbinsel "Warum der Hafen Rotterdam beim Radverkehr das Rennen macht."
Die spannende Erwartung auf DAS Andere aus den Niederlanden erfüllte die Gäste auf dem IBA-Dock inmitten der vielen stimmungsvollen Fotos von den verschiedenen Radaktivitäten auf der Elbinsel, die der Fotograf Artur Sobowiec dokumentierte. Anders war schon die prägende Erfolgsgeschichte zum Radverkehrs in den Niederlanden vor fast 120 Jahren. Damals führte ein spektakulärer mit Blumen geschmückter Fahrradcorso anlässlich einer großen Blumenschau zu einem ungeahnten Radfahrboom. Der Blumencorso war eine bürgerliche Idee um Land, Leute und Krone aneinander zu binden und die neue Lust an
muskelkraftbetriebener Bewegung in niederländischer Natur zu demonstrieren. Sogar die damalige Königin Wilhelmina setzte sich auf`s Rad, um diese Initiative und bürgerliche Werte zu unterstützen. Der Corso war sehr leicht durchzuführen, und die bereits vorhandenen gut ausgebauten Wege entlang der Kanäle unterstützten die neue Radfahrlust positiv.
Als Mensch aus einem Autobauer-Land kann man es kam glauben, aber wahr ist es: Dieser Event war derartig kraftvoll, dass er ein Nationalgefühl bei den Niederländern erzeugte. Noch heute gibt es diese Blumenshow mit Anfahrt per Fahrrad. Bei soviel positiver Emotion wurde auch das Fahrrad stets positiv als ein Mittel der Freiheit, Fitness und Lustvollem Leben betrachtet. Die Radinfrastruktur entwickelte sich entsprechend historisch bedingt, nämlich von Anfang an auf separaten Wegen. Dies waren gute Startbedingungen für den systematischen landesweiten Ausbau breiter Wege mit ausreichend Platz für Gegenverkehr und schnellem Fahren.
Auch anders ist der geographisch bedingte Pragmatismus der Niederländer, die in einem kleinem Land sogar dem Wasser noch Land abtrotzen. Also jeder Quadratzentimeter in diesem Land ist geplant und mit Funktionen belegt, gerade in der sehr dicht besiedelten Randstadt, wo sich auch Rotterdam befindet und der bis zur 40 km entfernten Massmündung sich erstreckende Hafen. Arbeit, Freizeit und Erholung müssen sich bei dieser Enge die Räume teilen. Gemäß Rotterdamer Port Authority brauchen die Menschen aber auch den erlebbaren Bezug zum Hafen, Wertschöpfungsquelle der Region, die sich dennoch weiter von der Stadt entfernt.
Noch wichtiger jedoch ist die Förderung des Alltagsverkehrs per Fahrrad über die Kurzstrecken von 5 km im Hafen von Rotterdam hinaus. Mehrere Rad- und Fußgängerbrücken und -tunnel über und unter die Maas sowie Verkehrssicherheit bei Kreuzungen und Bahnübergängen spielen hier eine wichtige Rolle. Dasselbe gilt für eine gute Anbindung des ÖPNV samt sicherer Fahrrad-Abstellanlagen vom Hafengebiet in die Stadt. Dies lassen sich die Niederlande bis zu traumhafte 27 Euro pro Einwohner für die Radinfrastruktur kosten. In Hamburg liegen die Investitionen ca. bei 2 -3 Euro. Alltagswege von Radfahrern führen auch durch den Hafen in die Stadt und diese werden sorgfältig geplant, ausgeschildert und in Stand gehalten sowie ausreichend breit gebaut; denn in den Niederlanden plant man bereits jetzt schon die Infrastruktur für das Elektrorad und dessen mögliche Geschwindigkeiten. Ganz klar, nicht nur in den Städten dominiert das Rad, sondern auch in vermeintlich gefährlichen Regionen, wie dem Rotterdamer Hafen.
Kurzes Fazit aus dieser anderen Fahrradwelt: Radverkehr im Hafen ist normal und wird nicht als negative Belastung empfunden und er lässt sich obendrein auch noch sicher führen! Denn: Die
Infrastruktur für den Radverkehr stimmt und wird gleichberechtigt behandelt!. Hier findet sich noch immer die historische Verbindung von Hafen und Stadt: Es sind lebendige, sich im Austausch befindliche Räume, keine fremden und von einander abgegrenzten Zonen. Ein positives Fahrrad-Image und gesundheitsfördernde Lebenslust prägen das Bewusstsein für den Radverkehr in den Städten ganz entscheidend.
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